Hengste zwischen Praxis & Mythos

Interview mit American Quarter Horse Züchterin Judith Junkers

American Quarter Horse Hengste – auf ihnen gründet zu einem großen Teil der gute Ruf der hiesigen Rassezucht. Was aber steckt hinter ihrem Bild in der Öffentlichkeit, hinter aufwändig gestalteten Anzeigen, gefeierten Auftritten im Sport und spektakulären Shows? Welches Leben führen sie, und worin unterscheiden sich ihre Lebensumstände von denen ihrer kastrierten oder weiblichen Artgenossen? Wie schaffen Hengsthalter den Spagat zwischen Einsatz in Sport und Zucht auf der einen und der Befriedigung arttypischer Bedürfnisse auf der anderen Seite – wenn überhaupt?

Wie das Leben eines American Quarter Horse Hengstes aussieht, aussehen kann, lässt sich am besten am Beispiel eines altgedienten Vererbers betrachten. Little Yellow Spirit, liebevoll „Spritti“ genannt, ist mit seinen inzwischen 20 Jahren ein solcher älterer Herr, der mittlerweile nicht mehr deckt. Judith und Jörg Junker, seine Eigentümer, züchten seit 1997 American Quarter Horses. Sie haben nicht nur Spritti über seine Karriere hinweg begleitet, sondern sind dem Zuchtgeschehen auf mehreren Ebenen seit langem eng verbunden.

Judith, seitdem Ihr 2010 den Grundhof in Laubach übernommen und diesen zur Zucht- und Ausbildungsstätte für American Quarter Horses und das Westernreiten entwickelt habt, hat sich viel getan. Euer Little Yellow Spirit – Spritti – war von Anfang an dabei. Kannst Du kurz Sprittis Lebensweg schildern auch aus der Zeit, bevor er in Euern Besitz kam?

Judith: In unserer Anfangszeit als Züchter von American Quarter Horses haben wir – damals noch ohne eigenen Hengst – mit einigen Zuchtstuten in Holland gezüchtet und sind zum Decken immer über die Grenze nach Deutschland gefahren. In einem Jahr kam uns die Maul- und Klauenseuche dazwischen – die Grenzen waren dicht, es ging nichts mehr. Zum Glück ergab sich über Ostern dann wenigstens ein kurzes Zeitfenster und wir konnten mit großem Aufwand und viel Stress doch noch zum Decken nach Deutschland fahren. Damals haben wir uns geschworen: Das passiert uns nie wieder – es muss ein eigener Hengst her!

Wir hatten Kontakte zu einem Züchter in den USA, dessen Kombination von Poco Bueno- und Doc O´Lena-Blutlinien uns gut gefiel. Also haben wir 2002 dort nach geeigneten Hengstfohlen angefragt und wurden ganz toll immer mit aktuellen Bildern der nach und nach fallenden Nachkommen versorgt. Am 19.05., nur drei Tage nach seiner Geburt, erreichten uns die ersten Bilder von Spritti – es war Liebe auf den ersten Blick! Er hat uns sofort super gefallen, auch vom Gebäude her. Vierzehn Tage später haben wir offiziell „zugeschlagen“ und als Absetzer kam er dann zu uns. Auf seiner großen Reise von den USA nach Holland war ich natürlich dabei!

Und wie habt Ihr dann die gemeinsame Zeit erlebt?

Judith: Mit zweieinhalb Jahren haben wir ihn zu Thomas Lik (damals Kamp-Lintfort) gebracht, der ihn anritt und auch erfolgreich auf seinen ersten Turnieren in der Disziplin Reining showte. Später ging Spritti dann zu Emanuel Ernst. Damals hat er während der Saison im Natursprung an der Hand und in der Herde gedeckt und ging danach wieder ins Training. 2009 war seine letzte lange Showsaison, danach sind wir nach Laubach gezogen und haben ihn anschließend auch nur noch für die künstliche Besamung genutzt. Auslöser waren schlechte Erfahrungen mit Fremdstuten und die Erkenntnis, dass insbesondere das Decken an der Hand mit zu großen Gefahren für alle Beteiligten verbunden ist.

American Quarter Horse Hengste werden, wie das bei Little Yellow Spirit zu seiner aktiven Zeit ja auch der Fall war, meist in Zucht und Sport eingesetzt. Wie sorgt man als Hengsthalter dafür, dass sie diese Doppelbelastung verkraften? Wo siehst Du Grenzen? Und wie habt Ihr Sprittis Lebensumstände in dieser Beziehung gestaltet?

Judith: Lassen sich Deck- und Turniersaison zeitlich trennen – wie wir das anfangs bei Spritti gemacht haben – wird die Doppelbelastung umgangen. Das hat aber den Nachteil, dass man damit wichtige Shows verpasst. Ansonsten heißt es tatsächlich: Ausprobieren! Bei manchen Hengsten und günstigen Rahmenbedingungen, so auch später bei Spritti, entstehen durch die parallelen Ansprüche von Showen und Decken keine Probleme. Es kann aber auch passieren, dass die Hengste dann auf der Show sehr hengstig auftreten, Probleme mit der Konzentration bekommen, im Training nachlassen oder soziale Aggressionen entwickeln. Wie ein Hengst sich diesbezüglich entwickelt, lässt sich im Vorfeld vor allem bei jungen Pferden kaum sagen: Auch sehr brave Hengste können total gestresst wirken, Machos dagegen nach dem Decken auf der Show dann ganz cool sein. Oft bleibt dann nichts anderes übrig als sich auf eine Leistung zu konzentrieren – entweder Decken oder Showen…

Das Interview führte Angelika Schmelzer. Foto: Angelika Schmelzer

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