Training für die Jüngsten

Als Handpferd beim Ausritt dabei? Unbedingt!

Frauke Litzkuhn züchtet American Quarter Horses und hat sich der Frage gewidmet, ob Ausreiten mit Fohlen bei Fuß oder als Handpferd Sinn macht. Aus ihrer langjährigen Erfahrung sagt sie: „Ja, unbedingt!“

Wenn auch die nun folgenden Gedanken rein subjektiv sind und auf unseren Erfahrungen beruhen, kann ich doch sagen, dass wir, mein Mann und ich, nur positive Erfahrungen im Ausreiten mit Fohlen gemacht haben. Aus unserer Sicht empfehlenswert!“ bekräftigt sie.
Gerade weil die Stute ein Fohlen bei Fuß hat, sollte man ausreiten. Der eine oder andere mag jetzt denken: „Welche Überforderung für die kleinen Beine und das noch so kleine Wesen!“ Aber in der Natur bleibt die Mutterstute auch nicht hinter der Herde zurück. Es wird gewandert. Und das Ergebnis sind starke Knochen und Hufe, eine ausgeglichene Muskulatur und ein Tier, das von klein auf lernt, wie es mit wenig Energieaufwand von A nach B kommt. Erste Ansätze also eines sich selbst tragenden Pferdes. Die Frage ist somit nicht, ob es sinnvoll ist, mit dem Fohlen ins Gelände zu gehen, sondern ab wann.

Die Rahmenbedingungen


Die Stute selbst sollte ruhig und ausgeglichen und natürlich selbst viel im Gelände unterwegs gewesen sein. Zudem sollte sie sich gut einhändig reiten lassen. Das Fohlen muss halfterführig sein und der Reiter die Regeln der StVO bezüglich des Mitführens von Pferden kennen. Grundsätzlich gilt: Reiter müssen sich an die Vorfahrtsregeln halten und auch für sie gelten rote Ampeln. Darüber hinaus muss der Reiter nach §28 StVO auf der rechten Fahrbahnseite reiten. Soviel zu den Rahmenbedingungen. Ab hier begeben wir uns auf den Boden der persönlichen Erfahrungen.

Vom ersten Aufhalftern zum Ausritt

Wir beginnen das Fohlen bereits ab Tag 1, ohne Zwang an das Halfter zu gewöhnen. Irgendwann ist dann einfach ein Strick dran, wenn das Fohlen neben der Mama läuft, und an diesem „hängt“ ein Mensch, der ganz ohne Zug, mit durchhängendem Strick neben dem Fohlen herläuft. Bleibt das Baby stehen, obwohl Mama weitergeht, wird mit der Hand leicht von hinten am Popo geschoben und minimaler Zug auf den Strick gegeben.
Klappt dies schon gut, folgt der nächste Schritt: erste Spaziergänge. Diese machen wir meist schon mit 10 Tagen. 10 bis 15 Minuten runter vom Hof und dann wieder zurück auf heimisches Terrain. Die Eindrücke sind meist beeindruckend genug, wenn auch die Strecke noch nicht erwähnenswert ist. Meist findet das Fohlen allerdings ziemlich schnell Gefallen daran, die Welt neben Mamas beruhigender Schulter zu erkunden und fragt nach mehr.
Wenn auch diese Erweiterung vollbracht ist, folgt der nächste Schritt: Erste Handpferdeübungen auf dem eingezäunten Reitplatz. Zunächst wird die Mutterstute einige Male locker geritten, das Fohlen läuft frei mit. Dann kommt der Helfer wieder dazu, das Kleine wird ans Halfter genommen und die ersten Male – erneut ohne Zug – als Handpferd mitgenommen. Der Helfer läuft als Sicherheit neben dem Fohlen her, so dass es sich zwischen Mama, auf Höhe ihrer Schulter, und dem Helfer befindet.
Gelingt auch dies ohne größere Schwierigkeiten auf beiden Seiten der Stute, kommt die vorletzte Vorbereitung: Das Fohlen kriegt sein Knotenhalfter, die es mittlerweile bei diversen Anbietern gibt.
Im letzten Schritt bleibt der Helfer zusehends Stück für Stück zurück, bis das Fohlen als Handpferd alleine neben der Mutterstute läuft.

Mit vier Wochen heißt es dann: Ausreiten!


Wir haben bei uns am Hof das große Glück, dass wir nach 100 Metern Dorfstraße bereits auf Wald oder Feldwege treffen. Die Strecken, die geritten werden, variieren je nach Wetter und Laune und dauern anfangs 30 Minuten mit zirka drei Kilometern Strecke. Zur Kontrolle der Distanz und Dauer bieten sich kostenfreie Apps für das Smartphone an.
Trinkpausen, die auch zuvor auf dem Reitplatz am Strick geübt wurden, erfolgen immer, wenn das Fohlen darum bittet. Zu Beginn kann das schon ein- bis zweimal vorkommen, je weiter die Wochen ins Land ziehen, desto weniger braucht das Kleine diesen Sicherheitshafen während des Ausritts. Mit fünf Monaten werden die Strecken dann auf fünf, vielleicht auch mal sechs oder sieben Kilometer erweitert.
Anfang reiten wir Schritt (Fohlentempo!). Klappt dies nach einigen Malen gut, werden kleine Trabsequenzen eingebaut. Galopp/Lope folgt, wenn das Kleine ein gelassenes Handpferd ist und man nicht Gefahr läuft, dass es aus lauter Übermut vor die Mutterstute springt. Auch hier zuerst kurze Strecken geradeaus, die man gut überblicken kann, wo der Boden federnd und recht eben und wo auch Platz zu den Seiten ist. So hat man ausreichend Raum zu reagieren, sollte der Jungspund einmal übermütig werden.

Sicherheit steht an erster Stelle


Neben den Sicherheitsaspekten für den jungen Körper achten wir auch auf Sicherheit für die gesamte Situation. Dies bedeutet, dass stets einer von uns mit dem Fahrrad begleitet. Sollte etwas passieren, ein Zügel reißen, das Fohlen bockig nicht mehr weiterlaufen wollen, so kann der Radfahrer seinen Drahtesel an den nächsten Baum binden und eines der Pferde übernehmen.
Zusätzlich trägt jedes unserer Pferde eine „Hundemarke“, wenn wir ausreiten, beim Handpferd ist dies ein absolutes „must have“. Die Marke ist nicht personalisiert, sondern einfach mit „Mein Zuhause“ und unserer Handynummer versehen, so dass sie für jedes Pferd verwendet werden kann. Irgendwann erfolgt dann natürlich (wenn möglich) der Austausch des Drahtesels gegen ein Reitpferd und der Familienausflug wird komplett auf den Rücken der Pferde verlegt.
Ausnahmeregel
Auf der Straße nutzen wir entgegen der Einordnung des Pferdes als Fahrzeug laut der StVO zu Beginn die gegenüberliegende Straßenseite, so dass Fahrzeuge von vorn auf uns zukommen. Der Radfahrer fährt zu Beginn vorweg, das Fohlen wird, wie jedes Handpferd, an der von der Straße abgewandten Seite geführt, in diesem Fall also links.
Diese Nutzung der falschen Straßenseite korrigieren wir, sobald das Fohlen entspannt auf Fahrzeuge jeglicher Art reagiert. Ab diesem Zeitpunkt wird also die korrekte Fahrbahnseite genutzt und das Fohlen auf der rechten Seite geführt.
Wichtig ist, den kleinen Hüpfer als Handpferd hin und wieder auf dem heimischen Reitplatz, der heimischen Wiese oder im Gelände auch von der anderen Seite zu führen, um die zwangsläufige Biegung zum Reitpferd hin auszugleichen.
Perfekte Vorbereitung
Unsere Fohlen lernen auf diese Weise nicht nur, ihren Hals fallen zu lassen, im Rücken locker mitzuschwingen und entspannt geradeaus zu laufen, sich also selbst zu tragen, so wie es ihr Körper anbietet, sie lernen darüber hinaus noch allen Umweltreizen mit Neugier und Gelassenheit zu begegnen. So sind nach einiger Zeit Autos, Trecker, Mähdrescher, Bahnübergänge und Züge, „Güllebomber“, Radfahrer, Kinderwagen, Jogger, Hunde und Siloplanen ein alter Hut und höchstens Dinge, denen man mit Neugierde entgegenblickt.
Auch für heranwachsende Jungpferde gibt es wohl kaum ein gesunderes Trainieren der Sehnen, Gelenke und Knochen als die Handpferdearbeit im Gelände.
Also: Ran ans Fohlen und den Sommer genießen! Viel Spaß!

Text: Frauke Litzkuhn, Foto: Litzkuhn Quarter Horses